Lebensumstände junger Sinti*zze und Rom*nja aus dem Blickwinkel der Sozialen Arbeit

Scherr

Rund 30 Interessierte kamen am 1. Juni nach Lichtenberg in das SportJugendBildugszentrum Lücke zu einem Vortrag von Prof. Dr. Albert Scherr. In dessen gut anderthalbstündigem Vortrag mit anschließender Diskussion ging es um das Thema „Zur Situation von Sinti und Roma – Was kann Soziale Arbeit leisten? Chancen und Grenzen der Arbeit“. Deutlich wurde im Vortrag insbesondere eines: Weder bei den Sinti*zze noch den Rom*nja handelt es sich um einheitliche Bevölkerungsgruppen.

Vielmehr sind einzelne Gruppen insbesondere sprachlich aber auch kulturell stark geprägt von ihren Herkunftsländern. Allen gemein ist als Minderheit aber eine ausgeprägte Diskriminierungserfahrung sowohl in den Herkunftsländern als auch in Deutschland, sei es als Zugezogene oder bereits hier geborene Deutsche. Vor allem diese Erfahrung macht es herausfordernd für Soziale Arbeit, die Zielgruppe zu erreichen und das für den Erfolg der Arbeit notwendige Vertrauen aufzubauen. Erfahrungen zeigen, dass Mitglieder der Zielgruppe Personen von außen oftmals misstrauen und als verlängerten Arm der Staatsmacht betrachten.

Interessant war der Blick auf Bildungsbiografien: In Interviews hatte eine Forschungsgruppe um Scherr gezeigt, dass es durchaus Sinti*zze und Rom*nja gibt, die in akademischen Berufen arbeiten oder an herausgehobenen Stellen in der Gesellschaft stehen. Viele von ihnen vermeiden es allerdings aus Angst vor Diskriminierung, ihre Zugehörigkeit offenzulegen. So entfällt die Chance, zu einem Rollenmodell für andere Mitglieder der Bevölkerungsgruppe zu werden, die sich stark durch ein traditionelles Familienbild und negative Eigenbilder kennzeichnet.

Scherr

Der Rat für die Soziale Arbeit war so einfach wie schwer durchführbar: Mit unterschiedlichen Methoden Vertrauen zur Zielgruppe aufbauen und nicht darauf bestehen, die eigene Identität offenlegen zu müssen. Allerdings kann der Sport einen Zugang zur Zielgruppe schaffen und Gemeinsamkeiten auch jenseits einer gemeinsamen Sprache und Identität deutlich machen. Das wiederum ist eine gute Voraussetzung, um Vertrauen aufzubauen.

Der Abend im SJBZ Lücke war Auftakt zu einer Vortragsreihe in loser Folge, in der GSJ und Sportjugend Praktikerinnen und Praktikern in der Sozialen Arbeit wissenschaftliche Erkenntnisse vorstellen und zur Diskussion stellen wollen.

Fotos: Jon A. Juarez Garcia